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Erst Zimmerer-Lehre dann Studium

Im Interview: Zimmerer-Azubi Charlotte Kleemann. Sie empfiehlt angehenden Architekten vor dem Studium einen Handwerksberuf zu erlernen.
Quelle: Max Kiener Zimmerei GmbH

Da fliegen die Späne: Charlotte Kleemann mit ihrer Berufsschulkollegin Selina Möbius (l.).
Quelle: Max Kiener Zimmerei GmbH
Welchen Baustoff würdest du als Architektin bevorzugt einsetzen?
"Natürlich Holz, weil es ein ökologischer und nachwachsender Rohstoff ist. Sichtbeton ist mit seiner kalten Oberfläche nicht so meins. Holz schafft da ein schöneres Raumklima"
Und wie geht es dir als Frau auf der Baustelle?
"Eigentlich müsste es heißen 'Wie geht‘s dir als Lehrling auf der Baustelle?', da ich keine Sonderstellung habe. Wenn ich von Mitarbeitern anderer Gewerke komisch angeschaut werde, spreche ich sie einfach darauf an.
Entscheidend ist: Wenn man auf der Baustelle nur rumsteht, wird man sicher komisch angeschaut. Aber wenn ich mitanpacke, gibt’s kein Problem und das trifft auf alle Lehrlinge zu. Zudem fühle ich mich von meinen Kollegen akzeptiert, das stärkt mir den Rücken"
Wie schaffst du das mit der körperlichen Anstrengung?
"Am Anfang hatte ich Respekt vor den schweren Arbeiten. Aber mit der Zeit kommt die Kraft und Technik von allein und man kann auch seine Kollegen um Hilfe bitten"
Was macht dir als Zimmerin am meisten Spaß?
"Dass ich in einem tollen Team arbeite. Und es macht mich immer stolz, dass ich nach einem Arbeitstag sehe, was wir geschafft haben"

Zimmermeister Max Kiener hatte nie Zweifel daran, dass sich seine Auszubildende Charlotte Kleemann als Frau auf der Baustelle durchsetzen kann.
Quelle: Max Kiener Zimmerei GmbH
Das sagen Charlotte Kleemanns Chefs:
Zimmermeister Max Kiener ist überzeugt: „Handwerklich gesehen gibt es nichts, was Charlotte nicht kann“, und er betont: „Sie hat sich vom ersten Tag an in die Firma und Familie eingebracht." Schließlich sind die Kieners ein Familienbetrieb, mittags essen alle gemeinsam und Kiener betont: „Wir arbeiten nicht nur miteinander. Ich habe immer ein offenes Ohr für meine Mitarbeiter.“
"Diese Firma ist 40 Jahre unter einer Frau groß geworden"
Und er fügt hinzu: "Egal was Charlotte nach ihrer Lehre macht, sie wird ihren Weg erfolgreich gehen. Natürlich würden wir uns alle freuen, wenn sie bei uns bleibt.“ Er zweifelte nie daran, dass sie sich als Frau auf der Baustelle durchsetzen kann: „Wir leben im 21. Jahrhundert, da sollte darüber garnicht mehr gesprochen werden - ob Frau oder Mann, völlig egal. Diese Firma ist 40 Jahre unter einer Frau groß geworden.“
Denn seine Mutter Dr.-Ing. Gabriele Kiener führte jahrzehntelang den Betrieb, sie erzählt: „Mein Vater hatte drei Töchter. Dann habe ich einfach Zimmerin gelernt von 1968 bis 1970. Da gabs noch garkeine Mädchen auf dem Bau.“
Auch später als Chefin der Zimmerei musste sie sich behaupten: „Arbeiter aus anderen Gewerken haben zu meinen Mitarbeitern oft gesagt: Du wirst dir doch von einer Frau nichts sagen lassen oder?“, aber Gabriele Kiener lächelt und betont: „Meine Mitarbeiter haben mich gerne verteidigt.“ Sie freut sich, dass sich immer mehr Frauen für den Zimmerer-Beruf begeistern, wie Charlotte Kleemann.