Das Berufsgrundschuljahr (BGJ) macht Sinn – davon ist Zimmermeister Benjamin Scherer überzeugt. Er ist Geschäftsführer des Innungsbetriebs „Scherer Zimmerei“ in München. Im Interview erinnert er sich an sein eigenes BGJ und erklärt, welche Vorteile Azubis haben, wenn sie das Vorbereitungsjahr in der Berufsschule absolviert haben.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihr eigenes BGJ?
Benjamin Scherer: Sehr gute. Wir haben den Umgang mit Materialien, Werkzeugen und Maschinen spielerisch gelernt und im Team gewerkeübergreifend zusammengearbeitet: Zum Beispiel haben wir einen Grill hergestellt und waren alle stolz auf das Ergebnis – das wir abseits vom Betriebsstress erzielt haben. Diese Erfahrung halte ich für entscheidend, wenn es darum geht einen gesunden Zugang zum Beruf zu erhalten. Sie schafft die Grundlage der Identifikation.
Und: Im BGJ habe ich viel über meinen Beruf erfahren, das mir heute noch dient. Allein die Teamarbeit mit anderen Gewerken war eine wertvolle Erfahrung. Klar, das Lernen der Theorie hat mich Disziplin gekostet. Aber letztlich war es die Abwechslung zwischen Theorie und Praxis, die es kurzweilig gemacht haben.
Ich bin überzeugt, dass junge Menschen ohne BGJ in der Lehre schlichtweg überfordert sind und schneller abspringen. Wir verlieren dann vielleicht tolle Leute, die dem Handwerk guttun würden.
Warum sind Sie vom Berufsgrundschuljahr so überzeugt?
Ich erlebe es immer wieder selbst und höre von Kollegen, dass die handwerklichen Grundkenntnisse bei Azubis fehlen, die das BGJ übersprungen haben. Wir Meister müssen diese Versäumnisse dann nachholen, obwohl wir das nicht leisten können.
Denn im BGJ wird gewerke- und materialübergreifend gearbeitet, im eigenen Betrieb ist das in dieser Form nicht möglich. Doch wenn wir aufhören, dieses Grundwissen zu vermitteln, entziehen wir dem Handwerk, was es heute ausmacht: Gute, solide und wertige handwerkliche Arbeit.
Verstehen Sie Unternehmer, die das BGJ überflüssig finden?
Ja, aber ich teile diese Meinung nicht. Wer sich entscheidet auszubilden und damit für Nachwuchs sorgt, muss die Spielregeln im Handwerk akzeptieren. Auch mir fehlt manchmal eine weitere Hand auf der Baustelle.
Aber sehen wir die Sache mal andersherum. Wenn das BGJ gestrichen wird, dann hätten wir den jungen Leuten bisher jahrzehntelang ein Jahr ihres Lebens ohne Gegenwert geraubt. Das haben wir aber sicher nicht getan.
Haben Sie auch Verbesserungsvorschläge?
Ich bin sicher, dass alle BGJ-Beteiligten in Verbänden und Schulen ihr Bestes geben. Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es mehr Begeisterung für die Werte des Handwerks. Letztlich ist unsere Ausbildung bis zum Meister einzigartig. In welchem anderen Beruf lernt man, so umfassend Probleme zu lösen und aus grauer Theorie handfeste Ergebnisse zu produzieren?
Natürlich verändert sich unsere Arbeit, Beispiel Digitalisierung. Das heißt, die Denkarbeit nimmt zu. Also müssen wir die Denkarbeit und das Handwerk unter einen Hut bekommen. Der Grundstein dafür sollte im BGJ gelegt werden. Auch hier gilt: Wir müssen uns den Veränderungen der Zeit und den jungen Menschen anpassen - ohne dabei Werte und Prinzipien des Handwerks zu vergessen.