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"Wir können die praktische Ausbildung nicht online durchführen"

Die Werkstatt bleibt leer: Für die angehenden Zimmerer/Zimmerinnen fällt die praktische Ausbildung im ÜBA der Bau-Innung München-Ebersberg aktuell pandemiebedingt aus.

Seit über vier Wochen ist das Überbetriebliche Bildungszentrum (ÜBA) der Bau-Innung München-Ebersberg geschlossen. Im Interview erklären der Leiter der Bildungsstätte Sebastian Posselt sowie Ausbilder und Zimmermeister Wolfgang Weigl, inwiefern sie Verständnis für die Schließung haben.

 

Herr Posselt und Herr Weigl, wie sieht Ihr aktueller Arbeitsalltag aus?
Sebastian Posselt: Ich wechsle gerade zwischen Homeoffice und Tagen im Büro. Für mich gibt es viel zu tun. Die Kurse in der Weiterbildung und der Ausbildung müssen umstrukturiert werden. Ein Meisterkurs musste zum Beispiel verschoben werden, hier müssen die Dozenten neu eingeplant werden. Natürlich steht auch das Thema Online-Kurse auf der Agenda. Dazu kommt die Verfolgung der Pandemielage mit den Auswirkungen auf uns und die Einarbeitung der neuen Richtlinien in unsere Hygienepläne. Ich kann nicht behaupten, das mir langweilig wäre.

Wolfgang Weigl: Offiziell bin ich vier Tage pro Woche zuhause im Urlaub und mit der Renovierung meiner Wohnung beschäftigt. Aber, wenn man so vernetzt ist wie ich, schaut es anders aus. Täglich melden sich Ausbildungsbetriebe (meist ehemalige Lehrlinge) bei mir und suchen Rat, wie man als Firma bestimmte Ausbildungsinhalte von Berufsschule und überbetrieblicher Ausbildung im Betrieb vermitteln könnte. Einen Tag pro Woche bin ich in der Bauinnung München, um Organisatorisches zu erledigen.

 

Haben Sie Verständnis dafür, dass alle überbetrieblichen Ausbildungszentren des Handwerks in Bayern pandemiebedingt geschlossen sind und warum?
Posselt: Natürlich müssen die Infektionszahlen schnell gesenkt werden. Auf der anderen Seite können wir unsere praktische Ausbildung nicht online durchführen - anders als eine Schule. Deshalb haben wir seit dem ersten Lockdown ein umfangreiches Hygienekonzept eingeführt, das sich bisher sehr gut bewährt hat. Gerade für die Lehrlinge im 3. Lehrjahr, die kurz vor ihrer Prüfung stehen, würden wir deshalb eine schnelle Öffnung begrüßen. Dabei haben wir immer die Sicherheit der Azubis und unserer Mitarbeiter im Blick.

 

Zu unserem Hygienekonzept: Neben den üblichen A-H-A Regeln (Abstand halten, Handhygiene, Alltagsmasken) wird seit Beginn der Pandemie ein erhöhter Reinigungsaufwand betrieben. In unseren Werkhallen wurde besonders darauf geachtet, dass die Arbeitsplätze einen Mindestabstand von 1,5 Metern gewährleisten. In den Gewerken, in denen das nicht möglich war, wurden zusätzliche Trennwände eingezogen oder die Lehrlingszahlen pro Kurs reduziert. Es besteht Maskenpflicht für die Auszubildenden. Außerdem werden alle Hallen regelmäßig gelüftet.


Weigl: Im Frühjahr 2020 hatte ich vollstes Verständnis für die Schließungen, weil man noch zu wenig Erfahrung mit dem Virus hatte. Jetzt - mit fast einem Jahr Viruserfahrung und einem sehr gewissenhaft geplanten und konsequent überwachten Hygienekonzept - sollte die praktische Ausbildung durchgeführt werden.

 

"Gerade für die Lehrlinge im 3. Lehrjahr würden wir eine schnelle Öffnung unseres Ausbildungszentrums begrüßen", sagt ÜBA-Leiter Sebastian Posselt im Interview.

Der Unternehmerverband Bayerisches Handwerk kritisiert, dass Überbetriebliche Ausbildungszentren gegenüber Hochschulen aktuell schlechter gestellt sind. Weil in letzteren praktische Ausbildungsabschnitte in besonderen Labor- und Arbeitsräumen durchgeführt werden, wenn die Teilnehmer einen Mindestabstand von 1,5 Metern einhalten und Masken tragen. Wie sehen Sie die Lage?
Posselt: Das sehe ich genauso. Wie schon erwähnt haben wir sehr gut durchdachte Hygienekonzepte, die eine Durchführung von praktischen Ausbildungskursen ermöglichen würden. Diese würde ich zunächst nur für die Azubis des 3. Lehrjahrs anbieten, um durch kleinere Gruppen ein größeres Maß an Sicherheit zu haben. Jeder Kontakt, der nicht unbedingt nötig ist, sollte vermieden werden. Sinken die Infektionszahlen weiter, müssten die weiteren Ausbildungsjahre so schnell wie möglich wieder praktisch geschult werden.

Weigl: Ich denke, dass diese Schieflastigkeit nicht bewusst entstanden ist, sondern in der Eile der Maßnahmenbeschlüsse passiert ist und in Kürze korrigiert wird.

Bieten Sie aktuell Online-Unterricht an?
Posselt: Eine Vermittlung von praktischen Inhalten übers Internet ist nicht vorgesehen und schwer umzusetzen. Die einzige Möglichkeit wären Kurzvideos, um den Azubis bestimmte Tätigkeiten näherzubringen. Der Erfolg ist zweifelhaft, denn praktische Tätigkeiten lerne ich am besten haptisch unter Anleitung. Dies kann nicht am Monitor stattfinden, sondern muss während des Lockdowns von den Ausbildungsbetrieben geleistet werden. Natürlich unterstützen wir diese auf Nachfrage mit praktischen Übungsaufgaben.

Weigl: Praktische Inhalte und Übungen sind online schwer zu vermitteln. Deshalb bin ich mit einigen Betrieben in Kontakt, damit die Azubis dort zumindest Teile der praktischen Themen üben. Wenn die Zeiten nicht besser werden, werde ich Lehrvideos erstellen. Ideen dazu habe ich schon.

Was bedeutet die ÜBA-Schließung für die Azubis?
Posselt: Für die Lehrlinge ist das ein großes Dilemma. Je nach Qualität des Ausbildungsbetriebs kann die Vorbereitung auf die Gesellenprüfung sehr unterschiedlich sein. Hier zeigen sich die Vorteile einer zentralen Vorbereitung auf das Ausbildungsziel in der überbetrieblichen Ausbildung. Leider fallen die Ausbildungszentren bei den Überlegungen der Regierung zu den Beschränkungen immer etwas hinten runter. In den Regel- bzw. Berufsschulen gab es in der Vergangenheit Ausnahmen für die Abschlussklassen. Das würde ich mir auch zum Wohl der Auszubildenden im 3. Lehrjahr, die im Sommer ihre Gesellenprüfung ablegen, wünschen.

Solange das Ausbildungszentrum geschlossen ist, müssen die Azubis mehr Eigenverantwortung zeigen. Ich rate ihnen mit ihren Ausbildern zu überlegen, wie trotz der Lockdown-Phase eine gute Vorbereitung auf die Prüfung gelingen kann. Gerne stehen wir dabei zur Seite.

Weigl: Da fehlt ein wichtiger Baustein in der Ausbildung. Manche Lehrlinge sind für den Distanzunterricht der Berufsschule noch nicht selbständig und konsequent genug, um im Homeoffice die Lerninhalte zu vertiefen. Somit fehlen schon schulische Inhalte. Wenn nun auch die "Überbetriebliche" ausfällt, fehlen den Lehrlingen viele theoretische und praktische Inhalte. Die überbetriebliche Ausbildung wurde ja genau deswegen ins Leben gerufen - um Themen zu vertiefen, welche der Ausbildungsbetrieb zum Beispiel wegen fehlender Ausstattung, oder anderen Arbeitsschwerpunkten nicht vermitteln kann.

"Jetzt - mit fast einem Jahr Viruserfahrung und einem sehr gewissenhaft geplantem und konsequent überwachtem Hygienekonzept - sollte die praktische Ausbildung durchgeführt werden", erklärt Ausbilder und Zimmermeister Wolfgang Weigl.

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