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„Im BGJ haben Schüler Zeit, um sich auf das Berufsleben einzustellen“
Der Distanzunterricht hat Vor- und Nachteile, sagt Dieter Schmidt, er ist Fachgruppenbetreuer Holztechnik an der Josef-Greising-Schule in Würzburg. Im Interview erklärt er, wie der Schulalltag für BGJ-Zimmerer aktuell aussieht und, warum das Berufsgrundschuljahr unersetzlich ist.
Wie sah der Unterricht für die BGJ-Schüler in Würzburg in den vergangenen Wochen aus?
Dieter Schmidt: Aufgrund der geringen Inzidenzen konnten wir seit Anfang des Schuljahres durchgehend Präsenzunterricht durchführen. Seit 9. Dezember arbeiten wir auch im Distanzunterricht.
Welche Vor- und Nachteile sehen Sie im Online-Unterricht?
Unser Distanzunterricht wird über Microsoft-Teams und nach Stundenplan durchgeführt, im praktischen Unterricht wird die Maschinenkunde teilweise durch Lernvideos oder Online-Schaltungen intensiviert. Auch allgemeinbildende Fächer, Sport und Religion werden unterrichtet.
Zu den Vorteilen: Distanzunterricht lässt viele Schüler konzentrierter arbeiten, als das im Klassenverband möglich ist. Durch die Teams-Plattform ist eine Arbeit in Gruppen möglich und die Schüler lernen dieses Arbeiten sehr schnell. Und theoretische Inhalte können vermittelt werden. Allerdings wird sich die anfängliche Neugier der Schüler gegenüber des Online-Unterrichts auch wieder zurückentwickeln.
Nachteilig wirkt sich die ungelöste Problematik der Notengebung aus. Schwache Schüler können sich im Fernunterricht verstecken. Schüler ohne schnellen oder fehlenden Internet-Zugang werden abgehängt. Zudem teilen Schüler ihre Aufgaben, so dass gezieltes Prüfen der individuellen Leistung schwerer wird. Unmöglich ist es, praktische Lerninhalte zu vermitteln.
Rund drei BGJ-Monate sind vorbei. Wie fit sind die Azubis mit ihrem praktischen Können?
Wir sind bei den Grundlagen. Das Verständnis für Material und Handwerk wächst gerade. Die Schüler sind in der Lage, grundlegende Fertigkeiten wie Hobeln, Sägen, Stemmen und Anreißen zu begreifen. Der von uns gerade begonnene Maschinenkurs kann nun nicht weitergeführt werden
Das Berufsgrundschuljahr ist vieldiskutiert. Warum macht es Sinn?
Ich möchte das mit einem Zitat eines ehemaligen Berufsschülers und Zimmerer-Azubis bei einer Freisprechungsfeier beantworten. Dieser Schüler besucht derzeit unsere Meisterschule. Er sagte, dass das BGJ eines der sinnvollsten Jahre seines bisherigen Lebens gewesen sei – nach zehn Jahren theoretischem Denken und Tun wurde im BGJ der Übergang vom Schüler zum Auszubildenden vollzogen und dies in einer Weise, die Entwicklungsaufgaben geschehen lässt.
Der zweite Aspekt ist das handwerkliche Tun in der Werkstatt. Keine andere Variante als das Berufsgrundschuljahr in Vollzeitform schafft es, eine derartige Menge an fachpraktischen Inhalten zu vermitteln. Immer wieder bestätigen uns Betriebe, dass sie einfach nicht die Zeit haben, derartige Grundlagen zu vermitteln.
Doch diese sind für den sicheren und sachgerechten Umgang mit Holz, Handwerkzeugen, Handmaschinen und stationären Maschinen nötig. Nach dem BGJ kann der Lehrling im 2. Lehrjahr hilfreich zuarbeiten, sein Wissen vertiefen und erweitern.
Was fehlt den Azubis, wenn das BGJ wegfallen würde?
Da gibt es einiges: Das oben beschriebene Übergangsjahr, das Einführen in den Betrieb, der Übergang vom Schüler zum Lehrling, der zielgerichtete und saubere Umgang mit Holz. Alle Quereinsteiger bestätigen uns ihre Defizite, die teilweise schwer wettzumachen sind - sehr wohl auch im theoretischen Bereich. Zudem brauchen Schüler eine gewisse Zeit, um sich auf das Berufsleben einzustellen.
Und während des BGJ haben die Schüler viel Praxis-Unterricht, in dem auch folgendes vermittelt wird, „Wie arbeite ich sicher auf einem Dach?“, „Wie verhalte ich mich während meiner Arbeitszeit?“ oder „Worauf ist beim Arbeiten mit scharfem Werkzeug zu achten“. Im Betrieb fehlt hierfür oft die Zeit.
Und welche Projekte stehen in den kommenden BGJ-Monaten in Würzburg an?
Ich wäre sehr froh, wenn wir die Projektarbeit überhaupt durchführen können. Hier haben wir dieses Jahr über einen Mülltonnenunterstand nachgedacht, der in Fünfergruppen entstehen soll. Projektanfragen haben wir ohne Ende, von Wanderschutz- über Vereinshütten, Spielplatzgestaltungen bis zu Kindergartenhütten.